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Orchideenerlebnis Dreiländereck
AHO Hessen

Exkursion in das Dreiländereck vom 8. Juni bis 11. Juni 2006


Von Manfred Haas

Vor rund 200 Millionen Jahren entstand durch Meeresablagerungen an der Obermosel eine landschaftlich besonders reizvolle Gegend. In der Folgezeit haben sich die Mosel und ihre Nebenflüsse in die Landschaft eingegraben und der sanften Hügellandschaft ihr charakteristisches Gepräge gegeben. Bereits in prähistorischer Zeit wurde das Gebiet besiedelt. Wenige Jahre vor Christ Geburt wurde das von Galliern, einem keltischen Stamm, bewohnte Moselgebiet von den Römern unter Kaiser Augustus erobert. Die Spuren der Römer sind in der ganzen Gegend und besonders in der ältesten Stadt Deutschlands in Trier nicht zu übersehen. Die römischen Baudenkmäler der Stadt Trier sind Weltkulturerbe und ziehen alljährlich Scharen von kultur- und geschichtlich begeisterten Touristen aus dem In- und Ausland an.

Nach Aufteilung des Karolingerreiches 843 n. Chr. entstand das mittlere fränkische Reich Lotharingen (=Lothringen), welches aber durch das mächtigere westfränkische Reich (später Frankreich) sowie das ostfränkische Reich (später Deutschland) von Anfang an in seiner Existenz bedroht war. Heute ist die Gegend an der Obermosel politisch den Ländern Deutschland, Frankreich und Luxemburg zugeordnet. Die Menschen im Dreiländereck fühlen sich als überzeugte Europäer, die politisch, kulturell, wirtschaftlich und auch im Naturschutz vorbildlich zusammenarbeiten. So fördert die Europäische Union nicht nur die Europa 2000 Schutzgebiete, sondern auch das 590 ha umfassende Projekt "Naturerlebnis Dreiländereck" (Arendt et al.).

Die geologischen Formationen des Muschelkalks an der Obermosel bilden eine hervorragende Grundlage für eine vielfältige Flora. Besonders die Familie der Orchideen bevorzugt Kalkböden. Und so überrascht es nicht, dass die Gegend in Orchideenkreisen sehr attraktiv und weithin bekannt ist. Der Arbeitskreis Heimische Orchideen Hessen, Regionalgruppe Süd, hat zur besten Vegetationszeit, vom 8. Juni bis 11. Juni 2006, eine Exkursion in das Dreiländereck unternommen.

Vier Orchideengebiete des Dreiländerecks (ausschließlich Naturschutzgebiete und Europa 2000 Schutzgebiete) mit vielen Orchideenarten wurden für die Exkursion ausgewählt. Aufgesucht wurden die europaweit bekannten Orchideenhügel von Montenach in Lothringen, fast unmittelbar an der deutschen Grenze nahe Sierck-les-Bains, das NSG Wolferskopf in Beckingen im Saarland, das Naturschutzgebiet ehemaliger Eisenerzgruben bei Düdelingen (Dudelange) in Luxemburg und das Naturschutzgebiet Eiderberg bei Freudenburg (Kreis Trier-Saarburg). Die Besonderheiten der Gebiete und ihre floristischen Schätze ließen wir uns von fachkundigen einheimischen Führern zeigen.

Vielen Orchideenfreunden ist das aus sieben Hügeln bestehende Naturschutzgebiet Montenach ein Begriff. Das hochwertige Naturschutzgebiet verdankt seine Existenz ausschließlich der Tatkraft und dem Einsatz der Montenacher Bevölkerung. Das ganze Dorf hat die Unterschutzstellung der Orchideenhänge bei den Behörden durchgesetzt. Wie unser Führer, Monsieur Pierre Wernain vom Conservatoire des Sites Lorraine, am Beginn der Exkursion durch das Gebiet erläuterte, sind alle Montenacher stolz auf ihre Orchideen und allgemein auf seltene Pflanzen und Tiere in ihren Naturschutzgebieten. Montenach ist umgeben von sieben Hügeln, die sämtlich auf Initiative der Einheimischen unter Naturschutz stehen und die als Europa 2000 Schutzgebiet ausgewiesen sind.

Auf einem Teil der Hügel wurden für Naturbegeisterte und Fotografen markierte Wege geschaffen, so dass die Besucher ohne das sensible Gelände zu betreten alle Kostbarkeiten bewundern und fotografieren können. Viele der Teilnehmer waren überrascht über den großen Reichtum an Orchideen. So etwas hatten sie noch nicht gesehen. Messungen in Montenach haben einen großen Anteil an Mangan in den Standortböden ergeben. Mangan trägt nach neueren Berichten zu Stickstoffarmut bei (Möller) und begünstigt somit den großen Orchideenreichtum der Montenacher Hügel.

Am Beginn des Rundwanderweges in Montenach befand sich eine kalkhaltige Quelle; in dem Feuchtgebiet konnten vier Orchideenarten gefunden werden. Bereits abblühend oder sogar fruchtend war das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) zu sehen, eine Orchidee, die im Übrigen in Südhessen noch häufiger anzutreffen ist. Das Fuchssche Knabenkraut (Dactylorhiza fuchssii) und das seltene Fleischfarbene Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata) war genau so zu bewundern wie -als Einzelexemplar- das Übersehene Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa, ssp. praetermissa), eine Orchidee aus der biogeographischen atlantischen Region, die an der Obermosel am Rande ihres Verbreitungsgebietes an nur wenigen Standorten vorkommt und für die Exkursion eine der beiden wichtigsten Zielarten war. 

Nach der Durchquerung des offenen Laubwaldes und der Gebüschvegetation, wo wir an Orchideenarten in Blüte der Puppenorchis (Aceras antropophorum), dem Weißen Waldvögelein (Cephalanthera damasonium), dem Großen Zweiblatt (Listera ovata), der Vogelnestwurz (Neottia nidus avis), dem Mannsknabenkraut (Orchis mascula), der Grünlichen Waldhyazinthe (Platanthera chloranta) und nur vegetativ dem Roten Waldvögelein (Cephalanthera rubra), der Breitblättrigen Ständelwurz (Epipactis helleborine), die Braunrote Ständelwurz (Epipactis atrorubens) sowie der Müllers Ständelwurz (Epipactis muelleri) begegneten, kamen wir auf Trockenrasen, wo wir von der Orchideenpracht schier überwältigt wurden. Beeindruckend waren die leuchtend roten Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis), die mächtigen Bockriemenzungen (Himantoglossum hircinum) und von den Ragwurzarten besonders die Hummelragwurz (Ophrys holoserica). Außerdem waren zu sehen die Fliegenragwurz (Ophrys insectifera), die Puppenorchis (Aceras antropophorum), die Mückenhändelwurz (Gymnadenia conopsea), das Mannsknabenkraut (Orchis mascula), das Helmknabenkraut (Orchis militaris) und das Purpurknabenkraut (Orchis purpurea).

Durch Kreuzbestäubung können verschiedene Orchideenarten miteinander hybridisieren, in Montenach konnten blühend Hybriden aus dem Übersehenen Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa) x dem Fleischfarbenen Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata), dem Helmknabenraut (Orchis militaris) x dem Purpurknabenkraut (Orchis purpurea) sowie dem Helmknabenkraut (Orchis militaris) x der Puppenorchis (Aceras antropophorum) festgestellt werden. Diese Raritäten wurden besonders häufig fotografiert. Aber auch andere Pflanzen erregten unsere Aufmerksamkeit. In der Schlucht zwischen zwei Hügeln konnten z. B. viele sehr groß gewachsene Hirschzungen (Asplenium scolopendrium) bewundert werden.

Das mit 337 ha größtes Naturschutzgebiet im Saarland, das NSG Wolferskopf an den sonnenexponierten Hängen des Haustadter Tales in Beckingen, ist eine alte Kulturlandschaft, die viele seltene Pflanzen und Tiere beherbergt. Der Zweckverband NSG Wolferskopf will durch eine naturverträgliche Landwirtschaft blühende Wiesen, Hecken, Äcker und Streuobstflächen erhalten und weiterentwickeln sowie das heimatgeschichtliche Erbe pflegen. Unser Führer, der Leiter der Naturwacht des Saarlandes, Dipl. Geograph Frank Grütz, sprach von 30 Orchideenarten, die im Gebiet gefunden worden seien. Unser besonderes Interesse galt dem Übersehenen Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa), welches im NSG Wolferskopf noch des Öfteren anzutreffen ist sowie dem neu entdeckten Fundort des Violetten Dingels (Limodorum abortivum). Zielgerichtet durchquerte die Gruppe die Trockenwiesen zum Waldrand, wo der in Deutschland nur im Moselgebiet und am Oberrhein vorkommende Violette Dingel (Limodorum abortivum) aufblühend angetroffen wurde. Der Dingel wird in der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen Deutschlands als "vom Aussterben bedroht" aufgeführt. Auf dem Wege zu den Kalkquellen wurden einige fruchtende Exemplare des Kleinen Knabenkrautes (Orchis morio) gefunden. Mit guten Beständen wurde das Übersehene Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa) in den Nasswiesen unterhalb der Hänge angetroffen, so dass die Fotografen genügend Gelegenheit zu guten Aufnahmen hatten. Das Orchideeninventar auf den Trockenwiesen entsprach im Wesentlichen den in Montenach angetroffenen Arten. (s. Tabelle).

Den kulturellen Aspekten der Gegend wurde durch den Besuch mit Führung der nach alten Vorgaben wieder errichteten römischen Villa Borg nahe Perl an der Mosel Rechnung getragen. Wer noch wollte, konnte anschließend in Perl-Nennig das besterhaltene römische Mosaik nördlich der Alpen bewundern.

Ein zweifellos außergewöhnlicher Biotopkomplex erwartete die Exkursionsteilnehmer in Düdelingen/Luxemburg. Im Gebiet einer der größten Eisenerzgruben in Europa sind durch den Bergbau tiefe Wunden in der Oberfläche des Geländes hinterlassen worden, die zum Teil mit Abraumhalden und Schlacke ausgefüllt wurden. Bei der Schlacke und dem Abraum handelt es sich kalkhaltiges Material. Eine planmäßige Renaturierung des Geländes wie bei uns üblich erfolgte nicht. So blieb eine Mondlandschaft übrig; die Natur schuf sich im Laufe der Jahrzehnte eigene Biotopstrukturen. Durch das unübersichtliche Gelände führte uns routiniert Eva Schaller aus Saarburg, die 2006 dem Arbeitskreis Heimische Orchideen Rheinland-Pfalz/Saar als Stellvertretende Vorsitzende angehörte. Im Übrigen ist sie auch ornithologisch gut bewandert.

Zunächst begegneten wir im lichten Laubwald im Rest des alten Berges einer Reihe von Orchideenarten. Erstmals bei der Exkursion begegneten wir dem Schwertblättrigen Waldvögelein (Cephalanthera longifolia), hier zusammen wachsend mit Wintergrünarten (Pyrolaceen) in einem Moosbirkenwald. Typische Waldorchideen wie die beiden Platanthera-Arten, mehrere Epipactis-Arten, die anderen beiden Cephalanthera-Arten (C. dama u. C. rubra), aber auch die Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis) zogen die Fotografen an. Im Sekundärbiotopbereich durchstreiften wir eine Heidelandschaft, die Ornithologen unter uns hörten den Gesang der Heidelerche, es waren nur wenige Orchideen zu sehen. Auf den Abraumhalden ist nur wenig Bewuchs vorhanden. Orchideen sind bekanntlich konkurrenzschwach und eignen sich bei kalkhaltigem Untergrund gut als Pionierpflanzen. Bei den "Pionierorchideen" handelte es sich meist um die Braunrote Ständelwurz (Epipactis atrorubens) oder die Breitblättrige Ständelwurz (Epipactis helleborine), die scheinbar aus dem blanken Stein wuchsen.

Den botanischen Schlusspunkt setzen wir am NSG Eiderberg bei Freudenstadt an der Saar, wo uns ebenfalls Eva Schaller führte. Sie ist Betreuerin des Naturschutzgebietes Eiderberg. Die Trockenhänge des Eiderberges überraschten mit einer Fülle von Orchideen der Trockenrasen, besonders die Hummelragwurz (Ophrys holoserica) zeigt sich in vielen Variationen. Als Besonderheit bekamen wir dort eine Ragwurz-Hybride aus Ophrys holoserica x Ophrys insectifera gezeigt. Das Prachtexemplar wurde von den Fotografen ausgiebig auf Zelluloid gebannt oder digital aufgenommen. Schöne Exemplare von Hybriden zwischen Orchis militaris x Orchis purpurea sowie Aceras antropophorum x Orchis militaris waren ein Leckerbissen für die Fotografen. Mit der Orchideenwanderung im NSG Eiderberg endeten unsere Pflanzenexkursionen. In jedem der vier bewanderten Biotope begegneten wir über 20 Orchideenarten in großer Anzahl (siehe Tabelle). Viele Teilnehmer sahen zum ersten Male das Übersehene Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa) und den Violetten Dingel (Limodorum abortivum) sowie einige andere Orchideenarten und -hybriden.

Wir haben ganz bewusst die Orchideenwanderungen nur mit Führern begangen. So konnten wir es erreichen, dass die Teilnehmer die für die Besucher vorgegebenen Wege in den vier Naturschutzgebieten nicht verließen und trotzdem voll auf ihre Kosten kamen.

Für den Abschluss der Exkursion hatten wir am letzten Reisetag noch eine kurze Besichtigung der Stadt Trier vorgesehen. Beginnend mit der Porta Nigra, dem größten und besterhaltenen römischen Tor nördlich der Alpen, führte uns der Weg durch die Simeonstraße an Sehenswürdigkeiten vorbei zum Dom, einem riesigen Bau, der auf Veranlassung der römischen, heilig gesprochenen Kaiserin Helena gebaut worden sein soll und weiter zur römischen Palastaula des Kaisers Konstantin, der ein Sohn Helenas war. Die Palastaula des Kaisers Konstantin dient heute als größte evangelische Kirche Deutschlands christlichen Zwecken. Vorbei am kurfürstlichen Schloss führte unser Weg dann zu den Kaiserthermen, dem Bad und Treffpunkt der römischen Oberschicht. Mit dem Besuch der Kaiserthermen endete das offizielle Programm. Vier Tage Exkursion bei schönstem Wander- und Fotowetter gingen harmonisch im kurfürstlichen Restaurant gegenüber dem Trierer Dom zu Ende.

Literatur:
Arendt, A., Didion, A., Felten, C., Reichl, B., und Wernain, P. (2004): Vivre la nature au Pays des Trois Frontières - Conservatoire des Sites Lorrains, Montenach/Frankreich
Möller, O. (2005): Bemerkungen zur Keimung und zum Wuchs heimischer Orchideen im Jahresbericht 2005 des AHO Schleswig-Holstein - Ammersbek bei Kiel


Anschrift des Verfassers:

Manfred Haas
Nibelungenstr. 122
64686 Lautertal

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